RODENTIA 6/2002. Eine Zusammenfassung dieses Artikels
Haltung eines Kaninchens und eines Meerschweinchens
In vielen Kinderzimmern und Haushalten ist es Gang und Gebe, einem Kaninchen
ein Meerschweinchen als "Spielgefährten" dazu zusetzen, und selbst
einige Bücher loben diese Konstellation. Ebenso wird es von
diversen Haltern als "die" Kombination propagiert und seit Jahren praktiziert.
ABER: Nicht alles, was anscheinend jahrelang bei anderen Haltern
funktioniert, muss auch wirklich gut sein!
Heutzutage setzt ein Umdenken ein, und muss es auch, wenn man sich
bewußt macht, wie verschieden diese Tiere eigentlich sind.
Heimtierbesitzer, die Tiere in der Kombination ein Meerschweinchen
/ ein Kaninchen halten, bringen oft das Argument hervor: "MEINE verstehen
sich aber prima, sie kuscheln sogar und betreiben Fellpflege, die lieben
den anderen!"
Dass dies aus einer Zweckgemeinschaft und Einsamkeit heraus entstehen
MUSS, und sich die Tiere im Grunde genommen gar nichts zu sagen haben,
im Gegenteil, trotz augenscheinlicher Eintracht sogar Stress zufügen,
möchte ich im Folgenden näher erläutern und begründen.
In der Natur würden sie sich niemals begegnen; sie stammen von
unterschiedlichen Kontinenten.
Erst mit den Spaniern gelangten Meerschweinchen von Südamerika
auch nach Europa, um zu Heimtieren zu avancieren.
Sie gehören nicht derselben Tiergattung an: Meerschweine sind
den Nagetieren, Kaninchen den Hasenartigen zuzuordnen.
Ihre Lebensweisen in freier Wildbahn unterscheiden sich drastisch voneinander:
Kaninchen bauen Höhlen, in denen sie am Tage, wenn sie ihre natürliche
Ruhephase haben, schlafen.
Meerschweinchen finden hingegen Unterschlupf, indem sie sich in dicht
bewachsenem Gebiet verbergen, aber niemals Höhlen bauen, hauptsächlich
tagaktiv sind und ansonsten zu unregelmäßigen Zeiten ruhen oder
unternehmungslustig sind.
Meerschweinchen sind laute, lustige Gesellen, die im Familienverband
spielen, fressen, schlafen, und vor allem: sich unterhalten, indem sie
quiekende Laute ausstoßen.
Kaninchen aber verständigen sich durch eine Fülle von körperlichen
Gebärden, die ein Meerschweinchen nicht zu deuten weiß.
Das laute, für Kaninchenohren störende Gequieke des vorgesetzten
Spielkameraden weiß hingegen das Kaninchen nicht zu interpretieren
und reagiert durch entsprechende Hormonausschüttung gestresst. Kaninchen
stoßen nur bei der Paarung, Aggression und bei großer Angst
Laute aus, daher rührt es, dass "[...] so manches Kaninchen, wenn
das Meerschweinchen seinen Halter pfeifend begrüßt, duckt oder
in die Ecke drückt...Das Meerschweinchen hingegen, das weder vom Kaninchen
noch vom Menschen seine Lautäußerungen erwidert sieht, verliert
bei einer solchen Haltung mit der Zeit viel seines "Vokabulars" und damit
seines natürlichen Verhaltens."
Im "besten" Fall hat man nun ein unausgeglichenes Kaninchen daheim,
das sich verbiegt, indem es versucht, die für es unnatürlichen
und unregelmäßigen Ruhezeiten des Meerschweinchens anzunehmen.
Der ständige Stress, die uninterpretierbaren Laute und für
Kaninchenohren schmerzhaften Geräusche, die Aufforderungen zum Spielen
in den Ruhephasen aber können bei dem Kaninchen statt zur Resignation
auch zur Aggression führen, die dann für das Meerschweinchen
sogar lebensbedrohlich werden kann.
Der Grund:
Ein Kaninchen ist meist um einiges größer als ein Meerschweinchen,
und hat in jedem Fall ausgebildete Sprungmuskulatur.
Wird das Kaninchen nun aggressiv, weil seine Ruhe gestört ist,
oder weil es keinen adäquaten Lebenspartner hat, der sein vorhandenes
Bedürfnis nach Sexualität erfüllt, kann ein Kaninchen ganz
ordentlich zubeißen, was schon vielen Meerschweinchen das Leben oder
die Gesundheit gekostet hat.
Das Fachmagazin "RODENTIA" schreibt in der Nov/Dez `02-Ausgabe zu dieser
Problematik in Bezug auf potentielle Aggressionen eines Kaninchens gegenüber
einem Meerschweinchen:
"Geht es glimpflicher aus, so leben die Tiere ständig gestresst
und einsam nebeneinander, eine Kommunikation zwischen den Arten ist kaum
möglich."
Berammelt ein Kaninchen, unabhängig von dessen Geschlecht, aus
Paarungstrieb oder Dominanzverhalten, das Meerschwein sogar, wird es wirklich
heikel:
Kaninchen packen sehr fest zu, damit der "Partner" keine Chance zur
Flucht hat. Dabei brach so manche Meerschweinchenrippe. Der Nackenbiss,
den Kaninchen ausüben, um den Eisprung der Partnerin auszulösen,
kann Meerschweinchen das Genick brechen oder zumindest schwer verletzen.
Das wesentlich kleinere und leichtere Meerschweinchen wird, wenn nicht
sofort ernstlich verletzt, zumindest auf lange Sicht gesehen Rückenschäden
davontragen.
Weibliche Kaninchen werden im Laufe des Jahres mehrmals scheinträchtig
und bauen aus Ihren ausgezupften Körperhaaren ein Nest für den
vermeidlichen Nachwuchs.
In dieser Zeit reagieren Häsinnen besonders stressanfällig
und schützen das Nest vor Eindringlingen, auch gegen das in der Wohngemeinschaft
lebende Meerschweinchen, welches wiederum durch Bisse verletzt oder getötet
werden kann.
Ein weiterer, weniger augenscheinlicher Grund für die ungünstige
Konstellation Meerschweinchen/Kaninchen ist die unterschiedliche Ernährung:
Kaninchen synthetisieren ihr Vitamin C aus der Nahrung selber und müssen
daher keines aufnehmen, im Gegenteil: enthält das Futter zuviel Vitamin
C, muss dieses aus dem Körper ausgeschieden werden, und löst
sich in Wasser, was zu Durchfall führt.
Meerschweinchen hingegen muss eine vitaminreichere Kost geboten werden,
um den Bedarf an Vitamin C zu decken.
Begründung durch wissenschaftliche Versuche
Wen die Argumente Verletzungsgefahr, Aggressionen, Verständigungsbarrikade,
Lebensweise, Tagesrhythmus, Ernährung noch nicht überzeugen,
der wird vielleicht ein Einsehen haben, wenn man die Tiere direkt selber
"befragt", mit wem sie leben möchten. Neben Erfahrungsberichten, möchte
ich auf eine Studie verweisen, auf welche die Zeitschrift "RODENTIA" in
besagter Ausgabe hinweist, die von Wissenschaftlern (HESSE&SACHSER,
1996) zu dem Thema "Ist die Gemeinschaftshaltung von Kaninchen und Meerschweinchen
eine zu empfehlende oder zu vermeidende Haltungsform" durchgeführt
wurde.
Der Versuchsaufbau gestaltete sich wie folgt: Zwei identisch eingerichtete
Käfige wurde durch einen schmalen Tunnel verbunden, der es nur dem
in dem Versuch eingesetzten jungen Meerschweinchen erlaubte, von einem
Käfig zum anderen zu wechseln. In den zweiten Käfig setzte man
im ersten Versuch ein erwachsenes Meerschweinchen, und bestimmte anhand
von Lichtschrankenmessung, wie oft und wie lange das Jungtier den älteren
Artgenossen, der ihm bis dato fremd war, besuchte, und als Sozialpartner
wählte, und somit einer eigenen Unterkunftvorzog.
Im zweiten Versuch setze man in einen der Käfige statt eines erwachsenen
Meerschweinchens ein Zwergkaninchen, und bestimmte erneut die verbrachte
Zeit des jungen Meerschweinchens bei dem artfremden Tier.
Hier schwankten die Ergebnisse um den Mittelwert von 40 % verbrachter
Zeit beim Kaninchen (sehr unterschiedlich von Meerschweinchen zu Meerschweinchen),
im Gegensatz zu 80% Durchschnittszeit eines Meeris bei seinem älteren
Artgenossen, wobei auffällig war, dass die jungen Meerschweinchen
allesamt recht viel Zeit bei dem Artgenossen verbrachten,und somit die
Ergebnisse konstanter ausfielen.
Bei dieser Versuchsreihe wurden die Tiere auch durch Videoüberwachung
auf ihr Sozialverhalten gegenüber dem Vorgesetzten Partner untersucht,
mit eindeutigen Ergebnissen, die "RODENTIA" aufführt:
"[Die Meerschweinchen flohen]... wesentlich häufiger vor dem Zwergkaninchen
als vor dem grösseren Meerschweinchen, und das meerschweinchentypische
'Erstarren', eine Schreckreaktion, wurde bei mit Kaninchen vergesellschafteten
Meerschweinchen signifikant häufiger festgestellt."
Eine weitere Beobachtung, die nicht unrelevant ist:
"Die mit Zwergkaninchen zusammen gehaltenen Meerschweinchen zogen sich
in aller Regel zum Ruhen in den Einzelkäfig zurück - wahrscheinlich,
weil sie im Gemeinschaftskäfig ständig von Zwergkaninchen aufgrund
der unterschiedlichen Tagesrhythmik gestört wurden."
"Meerschweinchen und Kaninchen sollten niemals alleine gehalten werden,
allerdings ist nur ein Artgenosse auch der Sozialpartner, den das Tier
braucht!"
AUTORIN: (c) by Heike Drapatz
Quellen:
Kleinsäuger-Fachmagazin "RODENTIA", Ausgabe Nov/Dez `02
Zitate entnommen der Artikel: -"Meerschweinchen und Kaninchen"
von Christian Ehrlich, -"Kaninchen und Meerschweinchen-ideale Partner?
Eine Geschichte voller Missverständnisse..."
von Iris Küster -"Klarer Wahlausgang: Wissenschaftler befragten
Meerschweinchen zum Thema Kaninchen" von Christian Ehrlich